Mittwoch, 6. September 2017

Ein schlechter Tag für die Demokratie

oder
 "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern,
sing nicht ihre Lieder.
Geh doch in die Oberstadt,
machs wie deine Brüder!"
von Franz Josef Degenhardt

Man muss kein Anhänger und Freund der AfD und einer Frau Weidel sein, genau sowenig wie man Anhänger und Freund der CDU und eines Herrn Lammert sein muss. Aber was gestern mit und durch diese beiden bei ihren jeweiligen Auftritten offenbar wurde, ist ein Lehrstück dessen – evtl. dem aktuellen Wahlkampf geschuldet –, wie und dass die Demokratie in diesem Lande zu einem leeren Schlagwort verkommen ist.

Das, was gestern über die Bildschirme der Nation flimmerte ist ein Armutszeugnis für die so hoch gelobte Demokratie und der offensichtliche Beweis dafür, dass wir inzwischen in einer Parteiendemokratur leben (die da in der "Oberstadt" leben).
Wer per se und pauschalisierend andere, als die eigene Meinung als undemokratisch bezeichnet und nicht in der Lage ist, Meinungen von rechts relevanten Straftaten zu unterscheiden, macht selbst genau dies, was er denjenigen mit einer anderen Meinung unterstellt; nämlich die Demokratie auszuhöhlen und zu beseitigen.

Scheinheilig hoch drei ist es, Lammert und seiner Abschiedsrede zu huldigen, aber dessen Rede und die ernsthaften Hinweise darin gar nicht verstanden zu haben.

Gleichzeitig – ebenfalls dem aktuellen Wahlkampf geschuldet - sich ständig in allen Kanälen und Sendungen auf die eigene Schulter zu klopfen und die großartige, erfolgreiche eigene Politik und Arbeit der letzten Jahre zu loben. Ständig – in einer noch nie dagewesenen Flut - die Gesetze angepasst und geändert zu haben, schärfere Strafverfolgung und -maßnahmen umgesetzt zu haben. Gleichzeitig seit Jahren in der Regierungsverantwortung aber die Institutionen der Judikative (Recht und Gesetz und deren Handhabung) durch radikalen Personalabbau geschwächt zu haben. Dann aber nicht in der Lage zu sein, in einer Partei wie der AfD (wie auch anderen angeblich verfassungswidrigen) durch eine funktionierende Strafverfolgung diejenigen auszuschalten, die auch tatsächlich Straftaten begehen ist ein Beweis der eigenen Unfähigkeit mit dem umzugehen, was man sich selbst auf die Fahne geschrieben und mit einer angeblich so erfolgreichen Arbeit in den letzten Jahren ermöglicht hat.

Wer darüber jubelt, dass Weidel aus der Sendung gegangen ist, gleichzeitig den Schutz der Minderheiten als Prämisse vorgibt und Lammert für seine Rede applaudiert *, entlarvt sich selbst der Lüge und eigenen Unfähigkeit Demokratie auch in der Tat zu leben.

Es soll nämlich tatsächlich Meinungen und Ansichten geben, welche von der eigenen z. T. ganz erheblich abweichen. Deshalb sind sie aber noch längst nicht undemokratisch, verfassungswidrig oder gar strafrechtlich rechts relevant. Sie können durchaus Minderheitsmeinungen sein. Aber nur weil sie Minderheitsmeinung sind, bedeutet dies eben nicht automatisch, dass nur die Mehrheitsmeinung demokratisch und gegenteilige Meinungen damit per se undemokratisch sein müssen. Wer also Minderheiten ausgrenzt und nicht – wie Lammert deutlich machte – in einem demokratischen Prozess mitnimmt, handelt wider verkündetes besseres Wissen und verhält sich selbst undemokratisch.



* „dass eine vitale Demokratie nicht daran zu erkennen ist, das am Ende Mehrheiten entscheiden. Sondern dass auf dem Weg bis zur Entscheidung Minderheiten ihre Rechte wahrnehmen können.“


Lammerts Abschiedsrede; insbesondere ab Min. 6:00 sehr hörenswert.

http://www.heute.de/bundestag-debattiert-zur-situation-in-deutschland-47892178.html?tabNo=1

Keine Kommentare: