Dienstag, 27. November 2018

Anne Will am So. 25.11.2018



Arbeitswelt im Wandel - wie muss der Sozialstaat reformiert werden?

Blog: 

https://daserste.ndr.de/annewill/archiv/Diskussion-Arbeitswelt-im-Wandel-wie-muss-der-Sozialstaat-reformiert-werden,diskussionsozialstaat100.html
Aufgrund dieser Sendung habe ich erneut mal wieder ein Email an Jens Spahn gesendet:


Sehr geehrter Herr Spahn,

wir hatten schon vor einiger Zeit einen Schriftwechsel, der damit endete, dass Sie mir auf mein letztes Schreiben nicht mehr antworteten. Auch in diesem Schriftwechsel ging es primär um Gerechtigkeit und Fairness.

Nun konnte ich Sie erneut in einer Anne Will Sendung mit dem Titel „Arbeitswelt im Wandel – wie muss der Sozialstaat reformiert werden“ erleben, in welcher Sie wiederum sehr häufig das Wort Fairness, aber auch Gerechtigkeit in den Mund nahmen.

Dazu würde ich Ihnen abermals ein paar Zeilen schreiben, in der Hoffnung, dass Sie immer noch die Zeit finden und mir antworten können.

In der Sendung ging es dann vorwiegend um die Reformierung des Sozialstaates, HartzIV versus BGE.
Vorab gleich mal eine Klarstellung meinerseits. Weder HartzIV, noch das BGE entsprechen meiner Meinung nach einer Reformierung des Sozialwesens und des Sozialstaates und haben mit Gerechtigkeit im wahren Sinne des Rechts nicht sehr viel, bis gar nichts zu tun.

Weshalb ich dies so sehe, würde ich Ihnen gerne erläutern.

Beide Systeme haben weder mit Fairness noch Gerechtigkeit zu tun. Wie ich bereits in meinen früheren Schreiben an Sie dargelegt habe ist es m. E. ein Unding zu glauben, dass mit Geld – in welcher Form auch immer – Gerechtigkeit und damit Fairness herzustellen wäre.
Gerechtigkeit und Fairness ist ein Frage des Rechts an sich und wie sich der Mensch gegenüber diesem verhält.

Was ich der o. g. Sendung aufgrund diverser Aussagen der TeilnehmerInnen entnahm, möchte ich wie folgt zusammen fassen:

Abhängigkeit (HartzIV) versus (angebliche) Unabhängigkeit (BGE).
Schuld (nicht mit der eigenen Arbeitskraft der Gesellschaft zu dienen) versus Sühne (Sanktionen).
3% der Betroffenen werden sanktioniert.
Also typisch konservative Beurteilungen gemäß jüdisch-christlicher Tradition (Schuld und Sühne); also ureigenstes CDU/CSU-Terrain.
Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie nie.
Die Anzahl Beschäftigter ist so hoch wie nie und dennoch wird Personal und Fachkräfte gesucht.
Wo findet man dieses?
Ganz sicher nicht bei den 3% sanktionierten HartzIVlerund den nicht sanktionierten Beziehern; denn sonst hätte man diese doch längst vermittelt, vermitteln können?!
Das Einzelbeispiel aus der Sendung führte zu folgender, m. E. völlig unlogischer Schlussfolgerung: Ing. kann ruhig als Bäckergeselle (ohne Ausbildung, wo doch (Aus)Bildung das a und o ist?!) arbeiten; darf und muss man nach Ihrer Ansicht erwarten.
Zukunftsorientiert ist dies allerdings ganz sicher nicht.
Bäcker zu werden, um dann in jedem Großmarkt „maschinell und digitalisiert“ hergestellte und tiefgefrorene Backwaren aufzubacken?
Eine derartige Abwärtsspirale ist für jeden zumutbar.
Damit bei künftiger Arbeitslosigkeit weniger ALGI, niedrigere Steuer- und Sozialabgaben, niedrige Rentenansprüche auf HartzIV-Niveau usw. usf.!
Für was werden dann eigentlich ständig Lösungen gesucht und auch von Ihnen angeboten, wenn doch alles so gut wie niemals zuvor ist?!
Zukunftsorientierte Aussagen und vorausschauende Politik?!
Durch Wähler (Arbeitgeber) abgestrafte Parteien und PolitikerInnen „sanktionieren“ sich mit Erhöhung der Parteifinanzierung!
Denn Leistung muss honoriert und Minderleistung sanktioniert werden!
Sie fragen: wer bezahlt dies alles eigentlich?
Wer bezahlt eigentlich Sie und all die Abgeordneten, die Regierenden und nach welchen Kriterien?!
Die Stimmenverluste bei den letzten Wahlen sind das „Arbeitszeugnis“ ihrer/Ihrer „Arbeitgeber“, des Wahlvolkes. Also wurde ihre/Ihre erbrachte Leistung relativ schlecht bewertet. Das Ergebnis: sie/Sie vergrößern den Bundestag, erhöhen sich die Diäten (also den „leistungsgerechten Lohn“) und die Parteienfinanzierung?!
Das Grundprinzip „fördern und fordern“ muss nach Ihrer Ansicht unbedingt bleiben. Gilt aber dann wohl nicht für Ihre Partei, wie auch für die SPD (s. h. einfach ihre/Ihre Schlussfolgerungen aus den Wahlverlusten).
Bei der „Gerechtigkeit“ wollen Sie etwas pauschaler vorgehen, wenn es z. B. um 20 Cent mehr oder weniger geht? Gerechtigkeit also Ihrer Sichtweise gemäß wieder eine Frage des Geldes und nicht des Rechts?!
Ein derartiges Engagement, wie Sie es bei den Sanktionen (angeblich nur 3% betreffend) im HartzIV System beibehalten wollen, würde ich mir mal von Ihnen und den Verantwortlichen bei denjenigen wünschen, die Mio. an Steuergeldern verweigern oder gar in betrügerischer Weise stehlen (z. B. Cum-Ex und Cum-Cum etc.)! Denn Sie sagen doch, dass man sich in dem Rahmen was man kann, einbringen sollte.
Bei HartzIV geht es Ihnen darum, nicht möglichst lange zu zahlen, sondern, dass „man“ auf eigenen Beinen stehen sollte.
Wie sieht dies bei den Abgeordneten und deren „erworbenen – durch was eigentlich – Ansprüchen“ aus? Diese erhalten doch auch ihre Geldleistungen nur dadurch, dass die Wähler ein Kreuzchen gemacht haben. Wodurch bestimmte (also willkürlich Ausgewählte) Abgeordnete über die „Parteipolitik“ und die Listenplätze zu Abgeordneten und damit „Gehaltsempfängern“ des Volkes werden, ohne davor irgendeine Leistung erbracht zu haben?
Faire und gerechte Behandlung "ALLER" von Ihnen ständig gefordert!

Nein, es geht gar nicht um die Menschen. Es geht darum, was die „Wirtschaft, der freie Markt und die Lobbyisten fordern. Es geht darum mit und durch Sanktionen (Sühne) die Schuldigen (HartzIVler) zu bestrafen und eben nicht zu fördern. Wie sonst käme man bei der entsprechenden Zukunftsentwicklung und Reformen auf die Idee einen "Ing." in eine Bäckerei zu stecken, die es demnächst bald überhaupt nicht mehr gibt?! Die Einzahlung in das Rentensystem bei HartzIV einzustellen, war und ist ja auch nichts anderes, als noch mehr Druck zu erzeugen. Und zwar von denjenigen, die nicht einen Cent in ihre Altersversorgung zahlten!
Deutlicher als Ihre Parteigenossin und Konkurrentin um den CDU-Parteivorsitz kann man es doch gar nicht sagen: „Rente muss für die Wirtschaft bezahlbar sein“?! Also bestimmt die Wirtschaft, wie hoch und ab wann Rente zu bezahlen sei?!

Werter Herr Spahn, ich weiß, es sind doch wieder mehr als ein paar Zeilen geworden. Dennoch hoffe ich, dass Sie sich die Zeit nehmen (können) und mir eine Antwort zukommen lassen werden. Denn ich bin nach wie vor sehr daran interessiert, diesen vor längerer Zeit schon begonnenen Gedankenaustausch fortzusetzen.

In diesem Sinne verbleibe ich mit freundlichen Grüßen


Robert Kroiß

PS: auch diesen Brief werde ich in den sozialen Medien, wie u. a. meinem eigenen Blog öffentlich machen.


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