Mittwoch, 26. März 2014

Weil Herr Röttgen (CDU) heute wieder in einer Talkshow (bei Anne Will) auftritt:

habe ich mal ein älteres Schreiben von mir an ihn, sowie seine Antwort hervor - da es meinen Blog ja noch nicht solange gibt, wie ich mich bereits an die eigenen diversen Politiker/Regierungen gewandt habe - gekramt und stelle diese Schreiben hier mal ein:


Robert Kroiß                                                                 81925 München, den 6.10.2009


Sehr geehrter Herr Röttgen,

nachdem ich Sie – mit Millionen anderer Zuschauer – in der letzten Anne Will Sendung vom So., den 4.10. 2009 gesehen und gehört habe, erlaube ich mir, Sie mit ein paar Ihrer Zitate zu konfrontieren, in der Hoffnung, dass Sie mir dann die sich daraus ergebenden Fragen auch beantworten werden.
Sie selber sagten: „daran wollen wir uns messen lassen“. Wen ich dieses richtig interpretiere, wollen Sie (und die neue Regierung) sich an dem, was sie/Sie sagen und was sie/Sie tun messen lassen?
Wobei ich einfach mal unterstelle, dass Sie als christlicher Politiker, welcher das „C“, wie Sie in dieser Sendung ebenfalls sagten, NICHT ideologisch, sondern demnach pragmatisch sehen wollen, gemäß den Worten der Bibel folgend, sich „an den Früchten“ messen lassen wollen? Oder nehmen Sie für sich das Bibelzitat: „Alles nun, was sie euch sagen, dass ihr halten sollt, das haltet und tut´s, aber nach ihren Werken sollt ihr nicht tun: sie sagen´s wohl, und tun`s nicht..“ in Anspruch?!

Lassen Sie mich nun aber ein wenig ausholen und näher auf die Sendung und auf Teile des – vor einem Millionenpublikum – Gesagten eingehen:

Da wurde uns eine Sendung von „betuchten Leistungsträgern“ präsentiert, die – wenn vmtl. auch ungewollt – die Ursache für die – selbst von Ihnen festgestellte Spaltung der Gesellschaft – aufzeigte.
Und sie lieferte den Beweis für ein „weiter so“, trotz einer anderen Regierungskonstellation.

Wie ich zu der Beurteilung „betuchte Leistungsträger“ komme?! Hören Sie sich mal an, was Herr Langguth bei 52:40 Min. wortwörtlich von sich gibt; seinen Rat, welchen er der Kanzlerin nicht gibt: „machen sie irgendwas, was die Menschen überrascht. Machen sie irgendwas, was gerade diejenigen, die auch nicht die „Betuchtensden“ sind erfreuen kann, NICHT NUR die LEISTUNGSTRÄGER den Benefit davon haben…!!!!
Bedeutet in der Kernaussage, dass NUR die „Betuchtensden“ bisher den „Benefit“ davon haben und dass sie deshalb als „Leistungsträger“ definiert werden, weil sie „betucht“ sind!!! Wie sie dazu kamen, dass sie „betucht“ sind, welche „LEISTUNG“ - wie und durch wen erbracht? - zu dem „Benefit“ dahinter führt und steckt, danach fragt man erst gar nicht mehr. Bereits hier wird in aller Deutlichkeit und Offenheit die Spaltung der Gesellschaft als „gegeben“ dargelegt.
Passt dann auch haargenau zu Ihrer Definitionen bzgl. Geld und Gerechtigkeit und „C“, als NICHT ideologisch.
Sie sagten: „wie schaffen wir MEHR soziale GERECHTIGKEIT?!“
Bedeutet also, dass wir bis dato – trotz ihrer/Ihrer Regierungsbeteiligung - zu WENIG soziale GERECHTIGKEIT hatten und haben, wozu sonst ein MEHR?!

Sie sagten: „weg zu kommen von der Alimentierung AUSSENSTEHENDER….“!!!
Wen meinten und meinen Sie damit?! Außen stehend wovor, vor was?! Wer sorgt/e für diese Teilung in „Innen und Außen“?! Was ist der Grund dafür, dass „einige“ außen Stehende sind?!
Ist es vielleicht in Wahrheit nicht so, dass sie/Sie die außen Stehenden sind, weil sie/Sie gar nicht mehr wissen, was in ihrem/Ihrem Volk, in der Gesellschaft vor sich geht?! Und sind es nicht gerade sie/Sie, welche vom gesamten Volk, von der ganzen Gesellschaft alimentiert werden?!

Sie sagten: „Ich halte das nicht für ein BILD von GERECHTIGKEIT, dass meinem Menschenbild entspricht“
Würden Sie mir und der Öffentlichkeit kundtun, welches Menschenbild und welches Bild von Gerechtigkeit Ihrer Sichtweise entspricht?

Sie sagten: „aber zu glauben, dass wir in unserer Gesellschaft mit Geld Gerechtigkeit erzeugen könnten…“
Wenn also mit Geld KEINE GERECHTIGKEIT zu erzeugen ist, dann ist logischerweise auch mit LEISTUNG – welche sich ja LOHNEN und in Form von Geld HONORIERT wird und werden muss – KEINE GERECHTIGKEIT zu erzeugen?!!!!

Sie haben recht: GELD erzeugt KEINE GERECHTIGKEIT. Sie sagen uns aber NICHT, WAS Gerechtigkeit erzeugt?! Dies zu sagen (vor allem aber auch zu erkennen) ist m. E. aber eine wesentliche Grundvoraussetzung – auch für ein „mehr“, bzw. überhaupt – um für eine „soziale Gerechtigkeit“ sorgen zu können.

Warum machen sie dann aber weiterhin – also „weiter so“ - eine Politik des Geldes und NICHT der GERECHTIGKEIT, wenn Geld KEINE GERECHTIGKEIT erzeugt und erzeugen kann?!!! Wäre dies nicht mal eine tatsächlich NEUE Politik?!

Wenn sie/Sie also ihr/Ihr Wahl – und Parteiprogramm – zusammen mit ihrem/Ihrem neuen Koalitionspartner – tatsächlich umsetzen, dann machen sie/Sie weiterhin KEINE Politik der GERECHTIGKEIT, sondern des GELDES. Da aber Geld laut Ihrer eigenen Aussage KEINE Gerechtigkeit erzeugt, können sie/Sie KEINE GERECHTE Politik machen. Warum sagen sie/Sie dies aber NICHT?!

Wenn sich LEISTUNG LOHNEN muss (bedeutet honoriert und honoriert wird in Form von Geld und Anerkennung – wobei wir dann wieder bei der Beurteilung und Definition von „betuchten Leistungsträgern wären -), wenn sie/Sie für soziale Gerechtigkeit sorgen wollen, wenn sie/Sie GELD in die Hand nehmen und investieren werden, dann bedeutet dies doch – gemäß Ihrer eigenen Schlussfolgerung -, dass sie/Sie weiterhin KEINE gerechte Politik, sondern eine Politik des Geldes machen wollen und werden?!

Wenn sie/Sie sich aber nicht um Gerechtigkeit bemühen wollen (vielleicht aber auch gar nicht können), dann ist das „C“ eben NUR ideologisch, obwohl Sie dies gerade bestreiten.
Für welche Art von Gerechtigkeit stehen sie/Sie dann in Wahrheit?!
Oder meinten Sie in Wahrheit, dass man mit GELD im GEBEN KEINE Gerechtigkeit erzeugen könnte?! Aber im NEHMEN schon?!
Dass und wie ich zu einer derartigen Schlussfolgerung komme, liegt an dem, was Sie sagen und was Sie - in der Umsetzung in der Regierungsverantwortung der letzten Jahre genau entgegengesetzt dazu - taten und tun

Beispiel: ein Arbeitsloser kann die ihm gestellte Aufgabe (nämlich sich ERFOLGREICH um einen Arbeitsplatz bemühen) aus bestimmten Gründen und UMSTÄNDEN NICHT erfüllen. (Bestes Beispiel, der fehlgeschlagene Versuch mit dem Beitrag des seit 2003!!!! arbeitslosen Bankkaufmannes!!!). Was passiert?! Ihm wird das ALG gekürzt, notfalls gestrichen, wenn er nicht die BEDINGUNGEN erfüllt, welche man in einem RECHT (also die Grundlage für GERECHTIGKEIT) in Form von Gesetzen umgesetzt hat!!!
Man glaubt also, wenn man dem Arbeitslosen GELD NIMMT, dann sorge man für MEHR GERECHTIGKEIT?!!!
Was passiert, wenn ein „alimentierter und außen stehender“ Abgeordneter auf Grund der UMSTÄNDE (z. B. eine „angeblich unverschuldete“ Finanz- und Wirtschaftskrise ihn an seiner Arbeit hindert) seine AUFGABE, LEISTUNG als LEISTUNGSTRÄGER NICHT erfüllt?!!!
Es wird die „Alimentierung (Diäten)“ erhöht?!!!
Hier schafft GELD WAS?!!! GERECHTIGKEIT?!!!!
Entweder kann man mit GELD GERECHTIGKEIT (im Geben oder Nehmen) erzeugen, oder man kann es NICHT!!!!
Wenn damit das „C“ NICHT ideologisch ist??!!!Vielleicht würde aber GERECHTIGKEIT zu einer gerechteren Verteilung von Geld – welches von ALLEN LEISTUNGSTRÄGERN erwirtschaftet wurde und nach wie vor wird – führen. Also wagen sie eine wahrhafte Reform und sorgen sie für eine Politik der GERECHTIGKEIT und nicht für eine Politik des GELDES.
Setzen sie/Sie die Prioritäten anders und werden sie/Sie ihrem/Ihrem „C“ GERECHT, damit es NICHT nur ideologisch bleibt.

Für Ihr Interesse danke ich und verbleibe – Ihre Antwort erwartend – mit freundlichem Gruß


Robert Kroiß

Und hier nun die Antwort von Herrn Röttgen:

08.10.09 10:50 


Sehr geehrter Herr Kroiß,

vielen Dank für Ihre Reaktion auf die Sendung bei Anne Will vom 04.
Oktober, auf die ich zahlreiche Zuschriften erhalten habe. Ich habe
sowohl Zustimmung - über die ich mich sehr gefreut habe ? als auch
kritische Anmerkungen und konkrete Nachfragen erhalten. Jede Form der
Rückmeldung ist mir herzlich willkommen. Gerne würde ich zu allen Fragen
Stellung nehmen. Angesichts der umfangreichen Anfragen und den
gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen, muss ich mich jedoch darauf
beschränken, Ihnen meine grundsätzliche Sichtweise zu erläutern.

Eines liegt mir in dieser größten Krise der Finanzmärkte in der
deutschen Nachkriegsgeschichte besonders am Herzen: Die CDU war und ist
die Partei der Sozialen Marktwirtschaft. Wir wollen der menschlichen
Entfaltungskraft Freiraum geben. Wir bekennen uns zum
Wettbewerbsprinzip. Denn Freiheit und ein fairer Wettstreit sind die
Voraussetzung für Entwicklung und Fortschritt. Aber jede Freiheit
braucht ihre Grenzen und ihre Ordnung.
Die CDU stand nie für einen zügellosen Kapitalismus. Soziale
Marktwirtschaft ist etwas anderes. Nach unserer Überzeugung muss die
Wirtschaft dem Menschen dienen, nicht aber der Mensch der Wirtschaft.
Das ist übrigens keine ?linke? These, sondern christdemokratisches
Gedankengut. Deshalb sehen wir in dieser schwierigen Krise auch eine
Chance. Eine Chance für einen wirklichen Neuanfang. Es ist die Stunde
gekommen, die Soziale Marktwirtschaft international zu etablieren.

Die Möglichkeit eines Neuanfangs haben die Wählerinnen und Wähler am 27.
September durch die Beendigung der Großen Koalition geschaffen. Die
politischen Verantwortlichen müssen sich nun an den anstehenden
Entscheidungen messen lassen. In diesem Sinne lohnt es sich über den
Begriff der sozialen Gerechtigkeit nachzudenken. Zu meiner Aussage, dass
alleine die Alimentierung des Einzelnen durch den Staat nicht für
Soziale Gerechtigkeit sorgt, stehe ich. Aus meiner Sicht können die
gesellschaftlichen Lebensbereiche ihre eigenen Angelegenheiten gemäß dem
Prinzip der Subsidiarität selbst regeln. Die Regelungen der
betrieblichen Arbeitsabläufe sind dafür ebenso beispielhaft wie die in
Tarifverhandlungen vereinbarten Lohnstrukturen oder die Regelungen im
Rentenrecht und im Gesundheitsbereich. Selbstverständlich müssen wir
hilfebedürftigen Menschen helfen, in dieser Gesellschaft wieder einen
aktiven Part zu spielen. Sie müssen anerkannt werden in ihrer Würde als
Individuum - und nicht nur als Empfänger von Solidarleistungen. Die
übergeordnete Solidargemeinschaft ist in diesen Fällen gefragt.
Da sich die gesellschaftlichen Lebensbereiche aber in dauernder
Entwicklung befinden, ergibt sich ein ständiger Anpassungsbedarf dieser
Strukturen und Regelungen. Soziale Gerechtigkeit lässt sich mithin nicht
statisch erklären, sondern es handelt sich um einen kontinuierlichen
Prozess.

Des Weiteren möchte ich auf die verschiedenen Facetten von Gerechtigkeit
hinweisen. Vor allem die Bildungspolitik kann hierzu einen Beitrag
leisten. Wir müssen verhindern, dass ein Teil der jungen Generation
wegen mangelnder Bildung und Erziehung von einem selbstbestimmten Leben
in unserer Gesellschaft ausgeschlossen bleibt. Es ist mit meiner
Auffassung von Chancengerechtigkeit nicht zu vereinbaren, wenn
beispielsweise der Bildungszugang- und erfolg abhängig vom Status der
Eltern ist. Daher setze ich mich dafür ein, bis 2015 gesamtstaatlich 10
Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Bildung und Forschung zu
investieren. Im Kontext der Bildungspolitik muss aber auch darauf
hingewiesen werden, dass dies primär Ländersache ist.

Eine sozial gerechte Gesellschaft ist ebenso durch ihr Steuersystem
gekennzeichnet. Dabei setzt die Union auf die Anerkennung der Leistung
des Einzelnen. Dies steht in keinem Widerspruch zu unserem Verständnis
des Menschen. Gerade das christliche Menschenbild will die Personalität,
also die freie Entfaltung des Einzelnen, fördern. Folglich ist es
zwingend notwendig die kalte Progression zu korrigieren. Wer eine
Gehaltserhöhung bekommt, soll davon mehr behalten als bisher. Wir wollen
uns auch an den widersprüchlichen Flickenteppich der Ausnahmen im
Steuerrecht heranmachen, besonders beim ermäßigten Mehrwertsteuersatz.
Wir brauchen hier eine nachvollziehbare Systematik.

Als letzten Punkt möchte ich die Arbeit ansprechen. Auch hier lässt sich
eine Verbindung zur sozialen Gerechtigkeit herstellen. Ich bin der
Meinung: Sozial ist, was Arbeit schafft. In der derzeitigen Situation
ist es unumgänglich, kurzfristige sowie mittel- und langfristige
Maßnahmen zur Erholung des Arbeitsmarktes zu ergreifen. Die Einführung
der Kurzarbeit dient dafür als gutes Beispiel. Ebenso tritt die CDU für
ein Mindesteinkommen für alle ein. Das für ein menschenwürdiges Leben
notwendige Einkommen sichert nicht ein einheitlicher, gesetzlicher
Mindestlohn, sondern, wo dies erforderlich ist, eine Kombination aus
fairen Löhnen und ergänzenden staatlichen Leistungen. Mit dem
Mindest-einkommen gelingt es, Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen ?
mit dem Mindestlohn werden Arbeitsplätze zerstört, da sich viele
mittelständische Betriebe die Anstellung ihrer Mitarbeiter nicht mehr
leisten können.

Ich hoffe, dass ich mit dieser Antwort einige Ihrer Fragen beantworten
und meinen Standpunkt näher bringen konnte. Nochmals vielen Dank für
Ihre Reaktion und Ihnen persönlich alles Gute!

Mit freundlichem Gruß

Ihr
Norbert Röttgen










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