Dienstag, 14. November 2023

„Kriegsertüchtigender Betroffenheits- und Beistandswettbewerb“

„Kriegsertüchtigender Betroffenheits- und Beistandswettbewerb“

Als meine Eltern mit meinem Bruder und mir vor etwas mehr als 60 Jahren die Gedenkstätte des KZ Dachaus, Station für Station besuchten, stand ich vor den Gaskammern, den Duschen, den Henkergräben, den Öfen und den mit entsprechenden Texten versehenen Fotos. Ich war des Lesens und Verstehens von Texten längst mächtig. Während meine Mutter nur unentwegt weinte, mein Vater stumm wie nie, stand ich tränenlos und nur entsetzt und erstarrt vor diesen grausamen Fakten.
Es stellte sich in diesen Momenten für mich auch nicht die Frage, wie konnten Deutsche derartiges Juden antun, wie konnten Rechte dies Linken antun, wie konnten Heteros dies Schwulen antun, wie konnten dies Männer Frauen antun usw.?

Nein, die einzige Frage die sich mir damals und zwar bis heute stellte war: wie können Menschen anderen Menschen, also Ihresgleichen derart grausames antun?! Wie konnten Menschen so unmenschlich sein und werden?!
Dies war für mich die eigentlich und alles entscheidende Frage!
Betroffenheit, Mitleid mit den mißhandelten und getöteten Menschen war körperlich spürbar. Und dies ist bis heute in allen Fällen von menschlichem Leid so bei mir.
Die ursächliche Frage die mich bis dato nicht mehr losgelassen hat war und ist für mich also: weshalb, wodurch und wie wird „der Mensch“ (egal welchen Geschlechts, welchen Alters, welcher Nationalität, welchen gesellschaftlichen Status, unabhängig des Geburtsortes und der Hautfarbe) so grausam, terroristisch und unmenschlich gegenüber seinesgleichen?!
Und nein, für mich ist nicht die Quantität von Grausamkeit gegenüber betroffenen Menschen die entscheidende Frage, sondern die Grausamkeit und Unmenschlichkeit, der Verlust des Menschsein an sich. Selbst wenn es sich „nur“ um einen „einzigen, einzelnen Fall“ handelt.
Denn Unmenschlichkeit nach Quantität, Nationalität, Geschlecht, Alter usw. zu bemessen und zu „beurteilen“ führt zu dem derzeit vorherrschenden „Betroffenheits- und Beistandswettbewerb“ durch selektiven Humanismus und selektiver Empathie. Und damit wiederum zur weiteren Trennung, Spaltung und wiederum Ausgrenzung von Menschen.
Oder sind und werden „unsere Werte“ durch den „Betroffenheits- und Beistandswettbewerb“ mit einer „Seite, Nationalität, Geschlecht, Herkunft ect.“ menschlicher, menschlicher als das „Menschsein“?!
Von welchen Werten ist bei „unseren Werten“ eigentlich immer die Rede?!
Gibt es in unserer Gesellschaft, in der westlichen Gesellschaft etwa keine Grausamkeit/en und Unmenschlichkeit/en gegenüber unseresgleichen?! Also Terror, widersprüchliches, abartiges „Menschsein“?!


Terrorismus ist Ausdruck von Unmenschlichkeit. Man kann ggf. einzelne Terroristen militärisch und kriegsertüchtigt ausschalten und (unmenschlich) beseitigen. Diese Frage der militärischen Ausrottung von Terror wird ständig erörtert und diskutiert. Befasst sich damit aber wiederum „nur“ mit den (Aus)Wirkungen. Nicht diskutiert und hinterfragt wird aber die Ursache des „geistigen und systemischen“ Terror ganzer Gesellschaften durch die Mächtigen, deren (auch religiösen) Auslegungen, unter welchem dann immer wieder nur die Völker, Menschen leiden. Wie man „geistigen und systemischen Terror“ bekämpft, beseitigen könnte, wird allerdings nicht diskutiert.


Diejenigen, die versuchen auf diesem Gebiet andere, als die bisherigen Lösungen zu finden, werden als „Friedensschwurbler“ und deren Versuche als „Hirngespinst“ und „Ideologie“ abgetan und bezeichnet. Und deshalb wird es immer und immer wieder Terror und Kriege, also Unmenschlichkeit in allen Facetten geben. Dann sollte „man“ sich aber auch damit abfinden und nicht nach „neuen“ Lösungen (durch bessere und noch mehr Waffen ect.) oder Schuldigen (welche es dann ja auch immer geben muss) suchen, die bis dato immer nur dasselbe Ergebnis hervorbrachten. Damit weder korrigierbar, noch zu ändern ist. Es gibt keine selektive Empathie und keinen selektiven Humanismus. Entweder „man“ selektiert. Dann spaltet und teilt man die Menschen! Oder man ist empathisch und human!

„Wir“ müssen jetz ja auch wieder „kriegstüchtig“ und eben nicht „friedenstüchtig“ werden!
Genau dies sind aber die immer wiederkehrenden Ergebnisse und Argumentation von Selektion (von Spaltung und Teilung)!
Und was, bzw. dass sich mit einer derartigen Haltung nichts ändert und geändert hat, zeigt sich doch aktuelll so gravierend wie eigentlich immer in Krisen- und Kriegssituationen!
„Nie wieder“ mit derselben Sicht- und Handlungsweise der Vergangenheit wird und funktioniert eben nicht! Es bleibt dann bei einem "immer wieder"!


Terror und Krieg – wie kann das enden? (Anne Will Sendung vom 12.11.23)


https://daserste.ndr.de/annewill/videos/Anne-Will-im-Gespraech-mit-der-Holocaust-Ueberlebenden,annewill8176.html


Die Antwort auf diese Frage gab die großartige Frau Friedländer (Nomen est omen!) am Ende der Sendung:

„Ich wünschte mir, dass so etwas, dieser Hass, dieser Antisemitismus, nicht Antisemitismus, dieser Hass! wirklich Menschen das nicht tun. Warum hasst man? Es gibt kein christiliches, kein muslimisches, kerin jüdisches Blut. Es ist alles menschliches Blut. Wir sind alle gleich. Ich versuche euch zu sagen, dass wir alle Menschen sind. Lass uns leben. Ich glaube, dass in jedem Menschen igendetwas gutes ist. Nehmt das Gute raus und vergesst das Schlechte. Es ist so einfach Mensch zu sein.“




Mittwoch, 8. November 2023

„Unmoralischer Diebstahl“

„Unmoralischer Diebstahl“ - das eigenartige Moralverständnis von Gysi (dem ich, ob seiner klaren Ansagen bisher fast immer widerspruchslos zustimmen konnte):

Als ob es einen moralischen Diebstahl gäbe?!
Aber davon ganz abgesehen, wenn es sich bei der Mandatsbeibehaltung der Wagenknecht um einen „unmoralischen Diebstahl“ handelt, dann übersieht Gysi bewusst oder unbewusst, dass es sich davor um ein unmoralisches Angebot/Mandat handeln musste.
Wenn „die Linke“ nur durch 3 Direktmandate die Fraktionsstärke erhielt, dann wäre es moralisch eigentlich nur logisch, auch nur diese 3 Mandate wahrzunehmen, oder?!
Auch bei „der Linken“ offenbart sich nun, dass es in und bei politischen Fraktionen primär um Posten/Mandate geht und nicht um die „moralische“ Vertretung der eigenen Politik, die man den Wähler*innen davor versprochen hatte.
„Moralisch“ gesehen müsste die Linke dann auch all die Wählerstimmen zurückgeben (können), die sie durch die bisherigen Mandatsträger*innen – wie eben auch einer Wagenknecht – erhalten haben.
Dass die bisher und in der Vergangenheit „die Linken“ Wählenden mit der politischen Moral „der Linken“ nicht mehr einverstanden waren und sind, zeigen die Wahlergebnisse.

Wenn man sich also mit „der Linken“ und ihrem Untergang beschäftigt und nach den Ursachen sucht, dann liegen diese garantiert nicht bei Wagenknecht. Denn solange Wagenknecht noch vollumfänglich in „der Linken“ akzepiert war, gab es diese Schuldzuweisung – für was auch? – ja nicht.
Sollte aber der bisherige Verbleib Wagenknechts in „der Linken“ Schuld und Ursache am Untergang „der Linken“ sein, dann kann es ihr Ausscheiden nicht sein?! Ist aber ihr ausscheiden die Ursache und der Grund für deren Untergang.
Dann müsste „die Linke“ Wagenknecht doch dankbar sein, dass sie diese verlassen hat. Denn nun kann „die Linke“ ihren moralischen Anspruch, ihre Wahlversprechen ganz ohne und gegen Wagenknecht durch- und umsetzen.

Wenn man Wagenknecht keine Träne nachweint, weshalb dann aber deren Mandat?!
Genau, weil es auch in „der Linken“ inzwischen usus ist, dass es zuallererst um die eigenen Posten und Mandate geht. Und erst in zweiter Linie darum, dass man diese Posten und Mandate ja nur durch Wähler*innen erhalten hat, die den politisch moralischen Versprechungen „der Linken“ geglaubt und sie deshalb – eben auch oder evtl. gar im besonderen wegen Wagenknecht - gewählt haben! „Erst kommt das Fressen (das eigene satt werden) und dann die Moral“!