Auch wenn einige meinen, dass mit dem
„Fall Böhmermann“ eine „weitere Sau“ durchs Dorf getrieben
werden soll und wird, um von anderen „Schweinereien“ wie TTIP,
CETA, Panama-Papers etc. abzulenken, denke ich, dass gerade durch
diesen „Fall Böhmermann“ deutlich wird, dass alles, was
Mächtige, „Majestäten“ entscheiden, gerade durch ihre Macht,
das Recht und die Gesetze nach eigenem Interesse auszulegen deutlich
wird.
Was durch den „Fall Böhmermann“
jedenfalls offensichtlich wird ist, dass vor dem Gesetz eben NICHT
alle gleich sind! Dass sich das – von Menschen für Menschen
ausgelegte - Recht und die zugrundeliegende Gesetzgebung selbst
widersprechen! Und dass „die Mächtigen, die Majestäten“
bestimmen, wie die Auslegung des Rechts zu entscheiden
ist.
Gesetzesstand: 1. April 2016
Art. 3 GG
(1) Alle
Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat
fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von
Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender
Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner
Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft,
seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen
benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner
Behinderung benachteiligt werden.
Durch die
Ermächtigung „Herrschender“ wird die Gleichheit vor dem Gesetz
und damit Recht und Gerechtigkeit außer Kraft gesetzt! Ein Mensch,
wenn auch in entsprechender Funktion und Position ist vor dem Gesetz
und Recht mächtiger und erst dadurch in der Lage eine Ermächtigung
zu erteilen!
[[ Durch die Ermächtigung erhält ein Dritter
die Erlaubnis,
ein ihm sonst nicht zustehendes Recht
oder eine Rechtsposition selbst im eigenen Namen auszuüben.
Wikipedia ]]
Dabei handelt es sich dann bereits um ein a priori
(Vor)Urteil! Im Allgemeinen gelten alle analytischen
Urteile als a priori.
Wie ich
hier
http://robert-diegrossenreligionen.blogspot.de/2016/04/jan-bohmermann-und-das-schmah-gedicht-u.html
bereits
schrieb, ist nicht Jan Böhmermann, selbst wenn er nun bestraft
werden sollte der Verlierer in dieser Angelegenheit, sondern einmal
mehr das Recht, die Gerechtigkeit und diejenigen, denen es durch
„Mächtige“ willkürlich und verbindlich (straf relevant)
ausgelegt wird!
Damit hat Böhmermann mit seiner „Satire“ -
welche „das beleidigende Gedicht“ nur als Teil des Gesamten
beinhaltete - genau das erreicht, was Satire muss. Nämlich
provozieren und die Schwachstellen der Macht und Mächtigen
aufzeigen. Die Verlogenheit und Scheinheiligkeit bei der
Rechtsauslegung durch „Majestäten“!
Es wird erneut deutlich,
dass Recht und seine Auslegung eine Frage der Macht, der Mächtigen,
der „Majestäten“ ist!
[[ Die Bezeichnung Majestät
kommt vom lateinischen maiestas und bedeutet ursprünglich
Größe, Erhabenheit oder Hoheit. Im Ursprung war die
Bezeichnung Majestät als Eigenschaft eines Gottes gedacht.
Wikipedia ]]
Die Fortschreibung der
jüdisch-christlichen Tradition als „Gott gegebene“, sich selbst
erhöhende Grundlage der Demokratie in Reinkultur! „Die Majestät
Gott“, die herrschenden „Göttlichen“ erlassen Gebote und
Gesetze für das Volk!
Und bis dato ist noch Niemand, insbesondere
derer, die sich angeblich unabhängig mit Recht und Gesetz befassen
auf die Idee gekommen, die bisherigen Gesetze und damit das geltende
Recht dahingehend zu überprüfen, weshalb es ständiger Korrekturen,
Nivellierungen und Berichtigungen bedarf?! Weshalb Rechtsauslegung,
welche sich ja eigentlich an Recht und Gerechtigkeit und nicht an
„Umständen“ orientieren sollte, ständig „neue“ Auslegungen
benötigt?! Als ob Recht und Gerechtigkeit an sich ständig „neu“
auszulegen wären?!
Damit komme ich dann zu der „Ermächtigung“
durch die „mächtigste Frau“ der Welt (lt. Forbes)!
Hier der
Wortlaut ihrer Entscheidung:
Da hat also ein „Mensch“ den
Antrag auf Strafverfolgung eines anderen „Menschen“ wegen
Beleidigung gestellt. So weit, so gut, nach den hier geltenden
Gesetzen.
Jetzt gibt es da allerdings die ganz einfache
Möglichkeit, eine Strafanzeige wegen Beleidigung bei den
entsprechenden Behörden zu stellen (was Erdogan und einige andere
parallel ja auch gemacht haben)! Damit würde ein ganz normaler
Prozess seinen Lauf nehmen (können).
Nun stellt aber der „Mensch“
Erdogan zusätzlich noch den Antrag bei der Bundesregierung und
beruft sich dabei auf den § 103 StGB! Also im Prinzip darauf, dass
es sich bei der Beleidigung durch Böhmermann um eine
„Majestätsbeleidigung“ (die Beleidigung eines „Gottes“)
handelte! Nur diese Anmaßung Erdogans und der noch im Gesetz
existierende § 103 StGB rechtfertigt überhaupt diesen Antrag!
§ 103 StGB
Beleidigung von Organen und
Vertretern ausländischer Staaten
(1) Wer ein ausländisches
Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied
einer ausländischen Regierung,
das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im
Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen
Vertretung beleidigt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der
verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis
zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ist die Tat öffentlich, in einer
Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11
Abs. 3) begangen, so ist § 200
anzuwenden. Den Antrag auf Bekanntgabe der Verurteilung kann auch der
Staatsanwalt stellen.
In
der Bekanntgabe ihrer Entscheidung verweist Merkel nun selbst darauf,
dass dieser § 103 StGB für eine Rechtsprechung ENTBEHRLICH sei?! Er
kann damit also überhaupt nichts (mehr) mit dem Recht und einer
Rechtsprechung zu tun haben! Ansonsten wäre er ja bei der
Rechtsprechung NICHT entbehrlich!
Zitat:
[[ Darüber hinaus möchte ich Ihnen mitteilen, dass unabhängig von
diesem konkreten Verfahren die Bundesregierung der Auffassung ist,
dass § 103 StGB als Strafnorm zum Schutz der persönlichen Ehre für
die Zukunft entbehrlich ist. Wir werden deshalb einen Gesetzentwurf
zu seiner Aufhebung vorlegen. Der Gesetzentwurf soll noch in dieser
Wahlperiode verabschiedet werden und 2018 in Kraft treten. ]]
Zitatende
Genau
damit hätte sie aber eine ABLEHNUNG des Antrags erklären können
und müssen, wenn dem so ist!
Denn
wie soll Recht gesprochen werden, anhand eines ENTBEHRLICHEN
Paragraphen?! Eines §§, der also NICHTS (mehr) mit Rechtsprechung
zu tun hat, weil inzwischen zur „Rechtsfindung“ ja
entbehrlich?!
Also wurde bei ihrer Entscheidung das RECHT als
solches und wie es aktuell zu sehen, auszulegen ist völlig außer
acht gelassen! Damit kann es bei ihrer Entscheidung auch NICHT (mehr)
um das Recht gegangen sein. Sondern es muss andere Gründe dafür
geben, dem Antrag eines – an sich überflüssigen, weil auf einem
entbehrlichen Paragraphen beruhenden - „Rechtsersuchens“
nachzugeben. Wenn das Gesetz, worauf sich das Ersuchen gründet
ENTBEHRLICH ist?! Wie aber sollen „unabhängige“ Gerichte Recht
darüber und ein gerechtes Urteil sprechen (können?), wenn dieses
Recht, welches sich ja „nur“ auf diesen Paragraphen gründet zur
Rechtsfindung eigentlich ENTBEHRLICH ist?!
Es kann also davon
ausgegangen werden, dass sich nun „unabhängige“ Gerichte (denn
es ist m. E. abzusehen, dass dieser Prozess durch mehrere Instanzen
gehen wird) mit „ETWAS“ beschäftigen müssen, was an sich
ENTBEHRLICH, weil ja weder zeitgemäß, noch rechts relevant ist?!
Denn darüber, was Satire darf, wurde ja bereits schon mehrfach
entschieden.
Primär geht es also gar nicht darum, was Satire darf
und dass mit dieser ein „Mensch“ beleidigt wurde! Sondern es geht
um die Anerkennung des Beleidigten als „Majestät“, als
„Gottgleichem“!
Und
Merkel hat mit ihrer Entscheidung genau dies anerkannt! Nämlich,
dass es sich bei Erdogan um eine „Majestät“, einem
„Gottgleichen“ handelt!
Ob sich Böhmermann dessen bewusst
war, was er mit seinem „satirischen Gesamtprojekt“ausgelöst hat,
in welchem „das beleidigende Gedicht“ eingebettet war weiß ich
nicht. Wenn ja, dann war es mehr als nur geniale Satire. Spätestens
die Entscheidung der Bundesregierung und Merkels machten dies
deutlich!
Zitat:
[[ Im Rechtsstaat ist es nicht Sache der Regierung, sondern von
Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht und
andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen. …
und … [[ In ihm gilt die Unschuldsvermutung. ]] Zitatende
Auch
hier wird die Verlogenheit und Scheinheiligkeit dieser Entscheidung
deutlich! Sowohl durch die Ermächtigung, als auch durch die davor
bezogene Stellungnahme Merkels fand ja bereits eine
„(Vor)Verurteilung“ und damit eben KEINE Unschuldsvermutung
statt!
Zitat:
[[ In einem Telefonat mit Ministerpräsident Ahmet Davutoglu seien
sich beide am Sonntagabend einig gewesen, dass es sich um „einen
bewusst verletzenden Text“ handele, sagte Regierungssprecher
Steffen Seibert am Montag in Berlin. FAZ vom 4.4.2016 ]]
Zitatende
Zitat aus der Entscheidungsbegründung. [[ Im
Rechtsstaat ist es nicht Sache der Regierung, sondern von
Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht und
andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen. In ihm
bedeutet die Erteilung einer Ermächtigung zur Strafverfolgung des
speziellen Delikts der Beleidigung von Organen und Vertretern
ausländischer Staaten weder eine Vorverurteilung des Betroffenen
noch eine vorgreifende Entscheidung über Grenzen der Kunst-, Presse-
und Meinungsfreiheit, sondern lediglich, dass die rechtliche Prüfung
der unabhängigen Justiz überantwortet wird und nicht die Regierung,
sondern Staatsanwaltschaften und Gerichte das letzte Wort haben
werden. ]] Zitatende
Merkel
hatte sich also bereits ein „URTEIL“ gebildet und dies auch
öffentlich mitteilen lassen!
Gerade wenn „man“ an die
Unabhängigkeit der Rechtsprechung glaubt, bedarf es KEINER
Ermächtigung! Weshalb sollte „man“ Unabhängige dazu
ermächtigen, unabhängig eine Entscheidung zu treffen?!
Der ganz
„normale“ und für jeden „Menschen“ geltende unabhängige
Rechtsweg konnte doch bereits mit den Anzeigen wegen Beleidigung
beschritten werden?! Was genau also hat es dann mit einer
„Ermächtigung“ - die sich auch noch als entbehrliches Relikt
entpuppt – gegenüber Unabhängiger auf sich?!
Gerade
durch diese Entscheidung wurde sowohl der Beleidigende, als auch der
Beleidigte in eine „überhöhte“ und damit „ungleiche“
Position vor dem Recht und Gesetz gebracht.
Was damit ebenfalls
deutlich gemacht wird ist, dass Böhmermann NICHT alle Türk*innen
beleidigt haben kann. Weil sich Erdogan ja auf den ENTBEHRLICHEN §
103 StGB und damit auf „Majestätsbeleidigung“ bezieht.
Es
gäbe noch jede Menge anzuführen, weshalb diese Entscheidung
„falsch“ ist und war. Aber dies werden andere bestimmt noch
darlegen.
Z. B. wie dies zu verstehen ist:
§
103 StGB
(1)
Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf
ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung,
das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im
Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen
Vertretung beleidigt, wird
mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle
der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten
bis zu fünf Jahren bestraft.
Hat
sich der Beleidigte während der Beleidigung in
amtlicher Eigenschaft im Inland
befunden?!
Oder wie ist die Unabhängigkeit der
Gerichtsbarkeit in diesem Lichte zu sehen:
GVG (
Gerichtsverfassungsgesetz )
§
146 (Weisungsgebundenheit)
Die Beamten der Staatsanwaltschaft
haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.