Rückführung
Durch
den, mit einer schweren Eichentür versehenen Eingang eines Altbaus,
betrat ein Mann den Flur desselben.
Über
alte Holzstufen, versehen mit einem verschnörkelten Haltegeländer,
ging er hinauf in das erste Stockwerk.
An
einer ebenfalls barock wirkenden Flügeltüre hielt er kurz inne,
nahm seine Lesebrille zur Hand und las, was auf dem Schild neben der
Tür angebracht stand.
Neurologie
und Psychiatrie.
Nachdem
bei Betätigung der Klingel ein Summton ertönte, welcher andeutete,
dass man mit dem Klingeln auch gleichzeitig die Tür öffnen konnte,
trat er ein.
Hinter
einer thekengleichen Balustrade saß eine junge Dame. Mit einem
freundlichen Lächeln grüßte sie und fragte nach dem Begehren des
Eintretenden. Dieser antwortete ebenso höflich und freundlich mit
etwas sonorer Stimme, dass er einen Termin wahrzunehmen hätte,
woraufhin besagte Vorzimmerdame in einem Terminplaner nachschlug und
den Mann bestätigend anwies, sich doch bitte im Wartezimmer zu
gedulden, bis man ihn rufe.
Kaum,
dass dieser sich im Wartezimmer umgesehen hatte und gerade Platz
nehmen wollte, wurde er auch schon wieder aufgerufen.
Ein
fast noch etwas jüngeres Fräulein als das hinter den Büromöbeln
sitzende, führte ihn sogleich in ein Zimmer, an dessen Türe ein
Schild mit dem Hinweis hing, dass es sich dabei um die Praxis
handelte.
Dort
eingetreten fiel sein Blick zunächst auf den antik anmutenden
wuchtigen Schreibtisch, hinter welchem sich ein unscheinbarer Mann
just in dem Moment von seinem Drehstuhl erhob, als er eingetreten
war.
Mit
ausgestreckter Hand begrüßte er den Eintretenden und bat ihn doch
bitte Platz zu nehmen. Dieser hatte sich zuvor allerdings noch aus
den Augenwinkeln heraus ein Bild von dem Raume machen können.
Da
waren an den Wänden meterlange Regale. Darin jede Menge an Büchern,
allesamt wissenschaftliche Themen behandelnd.
Und
dann war da noch eine Couch, davor ein geräumiger und bequem
wirkender Sessel.
Nach
einem kurzen Wortwechsel zwischen den Beiden, bat der Arzt, denn um
einen solchen handelte es sich, seinen Patienten, sich bitte auf die
Couch zu legen.
Alle
bisherigen Untersuchungen und Behandlungen, welchen sich der
Eingetretene bisher unterzogen hatte, waren nicht zu dem gewünschten
Ergebnis gekommen, um nicht zu sagen fehlgeschlagen.
Deshalb
hatte man ihn an den Neurologen und Psychiater überwiesen.
Dieser
hatte auch bereits die gesamten Untersuchungsunterlagen, welche er
von seinen Kollegen angefordert und erhalten hatte, bereits äußerst
intensiv studiert. Da alle bisherigen Therapien nicht den gewünschten
Erfolg zeitigten, hatte er sich vorgenommen, den Patienten über eine
Hypnose in dessen Vergangenheit zurück zu führen, um eventuell in
dieser eine Ursache für die Erkrankung, von welcher alle Ärzte,
welche ihn bisher untersucht hatten auch ausgingen, zu finden und
adäquat behandeln zu können.
Er
erklärte zunächst auf das Genaueste was er bei dieser Sitzung
vorhabe und bat den Patienten um die Einwilligung hierzu, welcher
diese auch schriftlich bestätigte.
Als
sich der Patient niedergelegt hatte, sprach der Arzt in einer sehr
beruhigenden Art auf ihn ein:
„Wenn
ich nun beginne, von Fünf rückwärts zu zählen, dann werden sie
ganz ruhig werden, sich dabei wohl fühlen und ihre Augen schließen.
Dabei werde ich weder ein Pendel, noch irgendein anderes Instrument
benutzen. Sie werden nur meine Stimme vernehmen. “
Beide
hatten längst ihren Platz eingenommen. Der Patient auf der Couch und
der Arzt auf dem seitlich davor platzierten Sessel.
„Fünf“
sagte der Arzt sehr ruhig, aber auch bestimmt. „Sie werden müde.
Vier, ihre Augenlider werden schwer und fühlen sich an, als ob
Bleigewichte an ihnen hingen. Drei“ fuhr er fort, „ihre
Augenlider fallen herab. Zwei, ihre Augen sind nun völlig
geschlossen und sie atmen ganz ruhig. Eins, sie sind nun ganz
entspannt und hören nur auf meine Stimme.“
Seelenruhig
und ganz entspannt lag der Patient auf der Couch und schien
tatsächlich fest zu schlafen, bzw. ganz weggetreten zu sein.
„Sie
werden nun in ihrer Erinnerung zurück gehen“, hörte man den Arzt
sagen.
„Was
sehen und fühlen sie“, war die sich anschließende Frage, während
er seinen Patienten dabei beobachtete.
„Ich
liege auf einer Couch, fühle mich äußerst wohl dabei und werde
gefragt, was ich sehe und fühle“, war die Antwort zu vernehmen.
Verblüfft
blickte der Arzt zu seiner, ebenfalls im Untersuchungszimmer
anwesende Assistentin, welche die medizinischen Gerätschaften, wie
EKG, Blutdruck- und Pulsmesser während dieser Sitzung zu beobachten
hatte.
„Welches
Jahr haben wir?“ fragte der Arzt.
„Es
müsste 1972 sein, denn gerade finden die olympischen Spiele in
München statt“, bekam er zur Antwort.
Immer
noch ein wenig verwundert drein blickend sprach er wieder mit ruhiger
Stimme: „Sie sind ganz ruhig und entspannt. Sie atmen tief ein und
wir gehen noch ein wenig weiter in der Zeit.“
Ruhig
und entspannt hob und senkte sich die Brust des Patienten bei jedem
Atemzug, die Augen immer noch geschlossen.
„Was
sehen sie jetzt. Wo befinden sie sich und was fühlen sie“ fragte
der Arzt erneut.
„Ich
liege auf einer Couch, fühle mich äußerst wohl dabei und werde
gefragt, was ich sehe und fühle“ vernahm er wiederum sehr
verwundert und dabei wieder auf seine Assistentin blickend die
Antwort.
„Welches
Jahr haben wir?“ fragte er deshalb erneut.
„Ich
glaube, ich befinde mich im Jahre 1989, denn in den Nachrichten wird
gerade gesagt, dass die Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland
gefallen sei.“
Vornüberbeugend
machte sich der Arzt an einem Arm des Patienten zu schaffen, maß
dessen Puls, griff an die Augenlider und musste feststellen, dass
sein Patient immer noch in Hypnose verharrend schlief.
„Sie
sind immer noch entspannt, sie entspannen sich noch mehr, werden noch
ruhiger und wir gehen nochmals weiter in der Zeit“ hörte man den
Arzt sagen.
„Was
sehen und fühlen sie jetzt?“ wiederholte er seine schon mehrfach
gestellte Frage.
„Ich
liege auf einer Couch, fühle mich dabei äußerst wohl und entspannt
und werde ständig mit Fragen gelöchert“ bekam er zur Antwort.
Ungläubig
starrte der Arzt auf seinen Patienten, dann wieder hin zu seiner
Assistentin und wieder zurück auf den vor ihm Liegenden.
Das
kann doch alles nicht wahr sein, dachte er bei sich. Er ist doch in
Trance, die Hypnose zeigt doch ihre Wirkung. Weshalb bekomme ich
immer und immer wieder dieselbe Antwort?
Und
wieder sagte er: „Sie sind total entspannt. Nichts kann sie
beunruhigen. Sie sind ganz ruhig und gelassen. Was sehen sie jetzt,
was fühlen sie und wo befinden sie sich?“
„Ich
liege auf einer Couch, fühle mich sauwohl, bin völlig entspannt und
Irgendjemand löchert mich mit der Frage, was ich sehe, fühle und wo
ich mich befinde, “ war die inzwischen nicht mehr ganz unerwartete
Antwort. „Wir müssen uns im Jahr 2004 befinden, den Gerhard
Schröder ist Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland“ endete
die Antwort des Hypnotisierten.
Im
Gegensatz zu dem vor ihm äußerst entspannt Liegenden, war es mit
der Ruhe des Arztes vorbei. Fast schon etwas unbeherrscht und harsch
wandte er sich seiner Assistentin mit der Bemerkung zu, dass da Etwas
nicht stimmen könne.
„Aber
Herr Doktor“, antwortete diese ganz erschrocken, „der Patient ist
in Trance, er ist hypnotisiert und weggetreten.“
„Gut,
lassen sie uns noch einen letzten Versuch machen“, meinte er zu
seiner Assistentin, während er bereits wieder im Begriffe war, sich
seinem Patienten zu zuwenden.
„Sie
sind immer noch ganz ruhig und äußerst entspannt und wir gehen
weiter in der Zeit und ihrer Erinnerung“.
Eher
schon etwas unwillig, ob der zu erwartenden Antwort hatte der Doktor,
zwar sehr beherrscht, aber auch ein wenig frustriert diesen Satz von
sich gegeben.
„Was
sehen sie jetzt, was fühlen sie, was machen sie und in welcher Zeit
befinden sie sich“ fragend setzte er seine Untersuchung fort.
„Ich
liege auf einer Couch, fühle mich äußerst entspannt, bis auf diese
blöden Fragen, die sich inzwischen dauernd wiederholen, geht es mir
sehr gut“ erhielt er die Antwort des vor ihm Liegenden.
„Ich
werde jetzt bis Fünf zählen“ hörte man den Doktor sagen, nicht
mehr mit einer ganz so beruhigenden und gelassenen Stimme wie zuvor
sagen. „Und wenn ich mit den Fingern schnippe, sind sie wieder
hellwach, fühlen sich wie neugeboren und als wenn nichts gewesen
wäre“.
Kaum
hatte er ausgesprochen, fing er auch schon an zu zählen:
„Eins,
zwei, drei, vier, fünf“, schnippte anschließend mit dem Daumen
und Zeigefinger, woraufhin sein Patient sofort die Augen öffnete,
kurz um sich blickte und hellwach zum Doktor sagte:
„Und
wann wollen wir mit der Hypnose beginnen? Was erwarten sie sich
davon? Wann beginnen sie mit der Rückführung, führen mich zurück
und…wohin? “
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