Das BVerfG lehnt Verfassungsbeschwerden mit dem Hinweis: "kann eine Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nur nach Erschöpfung des zulässigen (eigene Anmerkung: wer lässt hier nach welchen Rechtsgrundsätzen WAS zu?!) Rechtswegs erhoben werden" und verweist dabei auf das "Merkblatt über die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht"!
Jetz kann aber eine "nichtjuristische Person" den zulässigen Rechtsweg gar nicht ausschöpfen, weil diejenigen, welche eigentlich verpfichtet wären, Recht und Gesetz auf ihre Rechtmäßigkeit - auf Grund aufgetretener Unklarheiten und Rechtsstreitigkeiten - hin zu überprüfen und eben genau die Fragen nach der Rechtmässigkeit - auch einer nichtjuristischen Person - zu zulassen, den Weg zu einer Überprüfung dahingehend verweigern, weil sie selber die Zulässigkeit definieren und auslegen?! Allerdings verstoßen sie dabei gegen ihre eigenen Gesetze und Zulässigkeitskriterien. Dies soll der nachfolgende Post ein wenig näher beleuchten.
Dabei handelt es sich um eine von mir eingereichte Beschwerde von vor 3 Jahren, welche - eben mit einer entsprechenden Begründung - abgelehnt wurde.
Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision:
Die Nichtzulassung einer nicht juristischen Person (Menschen) zur Revision stellt einen Verstoß gegen das GG der BRD und gegen die EMRK dar:
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 112, 50 <67>; stRspr).
Wer und nach welchen RECHts- und Gesichtspunkten stellt aber diesen Vergleich an?! Wer und wonach bestimmt „man“ die Art und das Gewicht?!
GG-Artikel:
- Art. 1 Abs. 3 GG „die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht“
- Art. 3 Abs. 1 „ alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich (eigene Anmerkung: also auch nicht juristische oder nicht zugelassene Prozess bevollmächtigte/Menschen haben demnach auch die gleichen Rechte; es sei denn „gleich ist nicht gleich“ auf Grund willkürlicher Auslegung)
- Art. 17 „Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden
- Art. 19 Abs. 4 „Wird jemand (eigene Anmerkung: Jedermann) durch die öffentliche Gewalt (eigene Anmerkung: wozu wohl auch Richter und Gerichte zählen) verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen“
- Art. 20 Abs. 3 „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige (eigene Anmerkung: sofern eine gültige Verfassung existiert?!) Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden (eigene Anmerkung: demnach dann wohl auch an dass GG der BRD (sofern gültig) und an die EMRK)“
- Art. 103 Abs. 1 „Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör (eigene Anmerkung: hier gibt es keine Differenzierung von juristischen und nicht juristischen Menschen, von zugelassenen und nicht zugelassenen (was ja mit Willkür – wer lässt wen und was zu – zu tun hat)“
- Da mir (jedermann) dieses rechtliche Gehör, die schriftliche Beschwerde durch das BayLSG und deren RichterInnen mit deren Entscheidung willkürlich garantiertes Recht verweigert wird, sind entweder die Artikel des GG (und damit das GG im Ganzen), wie auch die Artikel des EMRK (und damit auch die EMRK als Ganzes) falsch verfasst und niedergeschrieben, oder es wird gegen diese Gesetze und Artikel durch eigene willkürliche Auslegung von Recht verstoßen.
In diesem Zusammenhang verweise ich auf die „Europäische Charta über die Rechtsstellung der Richterinnen und Richter“.
Zitat: „Im Hinblick auf Art. 6 der [europäischen] Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), wonach jedermann Anspruch darauf hat, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und in angemessener Frist gehört wird, und zwar von unabhängigen und unparteiischen auf Gesetzen beruhendem Gericht“
EMRK
- Allgemeine Grundsätze
1.1. Das Richterstatut soll die Kompetenz, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleisten, die jedermann legitimerweise von den Gerichten und allen Richterinnen und Richtern erwartet, denen der Schutz seiner Rechte anvertraut ist. Es schließt jede Regelung und jede Verfahrensweise aus, die geeignet ist, das Vertrauen in diese Kompetenz, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu beeinträchtigen. Diese Charta enthält nachfolgend die Regelungen, die am besten geeignet sind, die Verwirklichung dieser Ziele zu gewährleisten. Der Zweck dieser Regelungen ist es, das Niveau der Garantien in den verschiedenen europäischen Staaten zu heben. Sie können nicht zur Rechtfertigung für nationale Rechtsänderungen dienen, die den Zweck haben, ein bereits erreichtes Niveau wieder abzusenken.
4.3. Richterinnen und Richter müssen sich stets so verhalten, dass das Vertrauen in ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt wird
5.3. Jeder Mensch hat das Recht, sich formlos bei einem unabhängigen Organ darüber zu beschweren, dass die Justiz in einem bestimmten Falle ihre Aufgabe nicht erfülle. Ergibt eine gründliche Prüfung unzweifelhaft ein richterliches Fehlverhalten im Sinne von Ziffer 5.1., so kann das genannte Organ eine Disziplinarmaßnahme ergreifen oder bei der nach dem Statut zuständigen Disziplinarinstanz anzeigen.
Gemäß dem Urteil und der Rechtsmittelbelehrung des BayLSG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur von zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb einer begrenzten Frist eingelegt werden.
Also nicht von jedermann und formlos! Eine parteiische und abhängige und gegen geltendes Recht verstoßende Entscheidung.
Ganz abgesehen davon, dass damit auch nicht gewährleistet und garantiert wäre, dass zugelassene Prozessbevollmächtigte meine Rechtsinteressen auch tatsächlich so vertreten könnten, wie ich dies möchte, darf ich das BSG zitieren:
„...so stellt das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG eine, wie die Erfahrung (eigene Anmerkung: nicht das Recht, sondern nur die Erfahrung) zeigt, nur schwer zu überwindende Hürde (eigene Anmerkung: Beeinträchtigung) dar. Nur rund 6% aller Nichtzulassungsbeschwerden führen zur Zulassung der Revision (Stand 2005)“
Also eindeutig ein Verstoß gegen den o. g. Art. 6 EMRK, sowie gegen deren allgemeine Grundsätze wie oben angeführt und auch gegen die genannten Artikel des GG der BRD.
Wissentlich und bewusst wird wohl aber Niemand Rechtsbeugung (oder evtl. doch?) begehen. Von daher denke ich einfach, dass entsprechende Umstände (Abhängigkeiten) die Richter/innen des BayLSG zu einer derartigen Entscheidung veranlasst haben.
Hierauf kann und will ich allerdings keinerlei Rücksicht nehmen und erwarte daher das gesetzlich garantierte Recht auf Anhörung.
Ansonsten darf ich wohl auch als „jedermann“ eine gesetzliche und damit rechtliche Erklärung dafür erwarten, weshalb das GG der BRD, wie auch die EMRK keine Anwendung und Anerkennung erfahren können.
Lassen Sie mich zur Unterstreichung dieser Diskrepanzen bei einem Rechtsstreit noch folgendes anführen:
Zitat:
Friedrich Müller / Ralph Christensen / Michael Sokolowski
Rechtstext und Textarbeit, Berlin 1997
Rechtstext und Textarbeit, Berlin 1997
I. Rechtstext: Der Rechtstext ist nicht Behälter der Rechtsnorm, sondern Durchzugsgebiet konkurrierender Interpretationen
1. Für den Positivismus bildet die objektivierbare Bedeutung die Brücke zwischen der Geltung des Gesetzes und der Rechtfertigung juristischen Handelns: 1.1 Der Normtext repräsentiert die Rechtsnorm • 1.2 Die juristische Textarbeit wird auf einen Erkenntnisvorgang eingeschränkt • 1.3 Der Richter ist gerechtfertigt, soweit er die im Text verlorene Präsenz der Rechtsnorm wiederherstellt
2. Die sprachliche Bedeutung ist mit dieser Rolle überfordert: 2.1 Die Sprachtheorie der Juristen ist von Legitimationsbedürfhissen bestimmt • 2.2 Die sprachliche Ordnung kann die Erwartungen der Juristen nicht erfüllen • 2.3 Legitimation ergibt sich nicht aus der Sprachtheorie, sondern allenfalls in der Sprachpraxis
3.Geltung, Bedeutung und Rechtfertigung sind als Probleme voneinander zu trennen: 3.1 Die sprachliche Bedeutung ist dem juristischen Handeln nicht vorgeordnet • 3.2 Das juristische Handeln ist eine semantische Praxis • 3.3 Der Normtext hat am Beginn juristischer Textarbeit nicht schon Bedeutung, sondern nur Geltung
II. Textarbeit: Der Richter ist nicht der Mund des Gesetzes, sondern Konstrukteur der Rechtsnorm
1. Die Praxis der Rechtserzeugung hat ihren Sinn in der Semantik des Kampfs um die Bedeutung des Gesetzes: 1.1 Der Richter trifft auf die ursprüngliche Gewalt des Konflikts und kommt für eine Rechtsfindung zu spät • 1.2 Der Richter zwingt den Konflikt in die Sprache und wendet ihn zu einem Kampf ums Recht • 1.3 Der semantische Kampf um die Bedeutung des Gesetzestextes ist symbolische Gewalt und bringt das Recht zur Sprache
2. Das Gesetz ist nicht Gegenstand einer Rechtserkenntnis, sondern Arena für den Kampf um das Recht im Raum der Sprache: 2.1 In der semantischen Praxis sind Sprache und Sprecher intern relationiert • 2.2 Zwischen Normtext als Textformular und Rechtsnorm als Textbedeutung liegt das juristische Handeln als semantische Praxis • 2.3 Die Bedeutung des Normtextes wird nicht mechanisch angewendet oder frei erfunden, sondern durchgesetzt
3. Der Gang vom Normtext zum Text der Rechtsnorm ist der Weg, den die Gewalt durch die Sprache nimmt: 3.1 Grund und Grundlage der Rechtserzeugung ist die Gewalt der Sprache • 3.2 Um des Rechts Herr zu werden, übt der Richter Gewalt über Text und Fall und gibt damit das Gesetz • 3.3 Mit seinem Urteil schneidet der Richter das Wort zum Konflikt ab
III. Die Textstruktur des Rechtsstaats: Von der Verleugnung zur Teilung und Kontrolle richterlicher Gewalt
1. Die Erschwerung der Gewalt durch die Sprache begründet die Hoffnung auf das Recht: 1.1 Die Gerechtigkeit kann die Gewalt nicht in einen Metacode einbinden • 1.2 Die Wahrheit der Rechtsbehauptung hebt die Gewalt nicht auf • 1.3 Trotz seines Entscheidungscharakters ist das Recht mehr als reine Gewalt
2. Der Rechtsstaat bildet eine Textstruktur: 2.1 Zurechnungstext ist der Normtext als „geltende" Zeichenkette • 2.2 Der Rechtfertigungstext muss den Zusammenhang von Geltung und Bedeutung begründen • 2.3 Der Anordnungstext wird mittels des Rechtfertigungszwangs in die rechtsstaatliche Textstruktur eingeschrieben
3. Die richterliche Gewalt wird der Teilung und Kontrolle unterworfen: 3.1 Lässt sich innerhalb der juristischen Textarbeit eine Praxis der Grenze denken? • 3.2 Die rechtsstaatliche Textstruktur erlaubt eine praktische Kritik der Legitimität richterlicher Gewalt • 3.3 Die rechtsstaatliche Textstruktur bewirkt eine doppelte Faltung der Gewalt
Das Ende liegt in einer praktischen Alternative
Vorwort
Was geschieht tatsächlich, wenn Juristen einen Rechtsfall entscheiden?
Für den als Theorie schon lange nicht mehr haltbaren, doch praktisch noch immer vorherrschenden Positivismus ist die Antwort nicht schwer: Was im Gesetzbuch steht, sind schon die Normen. Ihr Inhalt ist als sprachliche Bedeutung objektiv erkennbar. Der Jurist legt die gesetzlichen Formeln aus, erkennt so die Bedeutung des Gesetzes für den gegebenen Fall und wendet es auf diesen an. Die Subsumtion ist dann gerechtfertigt, wenn er sie kognitiv richtig vollführt. Demzufolge fungiert der Rechtstext als Brücke zwischen der Geltung der Vorschrift und der Legitimität juristischen Entscheidens.
Traditionelle Juristen sehen nicht, dass die Gesetzbücher lediglich nicht-normative Textformulare enthalten, mit denen im konkreten Konfliktfall Rechtsnormen erarbeitet werden können. Der rechttheoretisch/rechtsmethodisch überfällige Paradigmenwechsel wird aber auch von der Notwendigkeit eingefordert, endlich auf Sprache einzugehen: auf das, was natürliche Sprache - denn die Sprache des Rechts ist eine natürliche, von fachsprachlichen Elementen durchsetzte - nicht können kann und auf das, was sie wirklich kann.
Juristisches Entscheiden ist in all seinen Aspekten Handeln, das auf Gewalt aufruht, das sie umwandelt und ausübt. Die in einem Staatsapparat riesig angehäufte Gewalt muss immer wieder gerechtfertigt werden. In jedem rechtlich zu lösenden Fall eines sozialen Konflikts, der als solcher ein Potential an Gewalt in Bewegung setzt, ist nicht nur diese, sondern zugleich auch die des sich einmischenden Staates zu domestizieren: durch rechtsstaatliche Arbeit demokratischer Juristen. Deren Tun ist notwendige Semantisierungsarbeit; ist nicht nur Arbeit mit Hilfe von Sprache, sondern mitten in ihr; nicht nur Arbeit über Texte (travail sur des textes), sondern unmittelbare Textarbeit (travail de textes).
Zu Beginn des Konkretisierungsvorgangs hat der Normtext noch keine Bedeutung ("Normativität") - nur Geltung. Es gibt keine lex ante casum. Geltung der legislatorischen Vorschrift, Bedeutung der zu entwickelnden Rechtsnorm und die Rechtfertigung des entscheidenden Juristen sind gesonderte Probleme; sie sollten abgeschichtet und einzeln untersucht werden.
Rechtsentscheidung ist Erzeugung von Rechtsnormen. Diese werden nicht im Gesetzbuch "gefunden"; auch nicht als präexistente auf den Einzelfall hin verengt, "individualisiert". Sie werden produziert. Der Richter ist Konstrukteur der Rechtsnorm, nicht Mund des Gesetzes; sonst könnte die stets latente, mit dem Konflikt aufgebrochene und durch die im Verfahren hinzukommende staatliche noch verstärkte Gewalt nicht rechtsstaatlich gefaltet werden. Die Entscheidung, die normatives Recht erzeugt, spielt sich als semantischer Kampf um die Bedeutung der Vorschrift für den Konflikt ab. Der Gang vom Normtext zum Text der Rechtsnorm ist aber auch der Weg, den die ursprüngliche Gewalt des Konflikts durch die Sprache zu nehmen hat. Dabei enthält Sprache selbst schon Gewalt, ist überformt durch Gewaltverhältnisse und übt schließlich - als Ergebnis einer Arbeit mit Texten in der staatlichen Institution - selber Gewalt aus.
Diesen Vorgängen gilt hier eine insistente Analyse des semantischen Kampfes, als welcher sich das gerichtliche Streitverfahren herausstellt, sowie eine linguistische und rechtstheoretische Untersuchung dazu, wie sich die Entscheidung in die rechtsstaatliche Textstruktur einschreibt. Einige Elemente dieser Vorgänge werden abschließend in eingehender Darstellung und Kritik einer Serie kontroverser obergerichtlicher Urteile aus dem Verwaltungsrecht exemplifiziert. Diesseits der schrecklichen Vereinfachungen des Positivismus, der Resignation der Reinen Rechtslehre, der theoriefeindlichen Übersteigerungen des Dezisionismus und jenseits der auf dem Markt befindlichen antipositivistischen Halbheiten, wird - mit Blick auf allmählich auszuformulierende Theorie - induktiv die Realität der alltäglichen semantischen Kämpfe im Sprachspiel "Recht" untersucht; wird verfolgt, was mit Rechtstext und Textarbeit tatsächlich geschieht, wenn eine Rechtsordnung in Tätigkeit ist, wenn sie "funktioniert".
1. Für den Positivismus bildet die objektivierbare Bedeutung die Brücke zwischen der Geltung des Gesetzes und der Rechtfertigung juristischen Handelns: 1.1 Der Normtext repräsentiert die Rechtsnorm • 1.2 Die juristische Textarbeit wird auf einen Erkenntnisvorgang eingeschränkt • 1.3 Der Richter ist gerechtfertigt, soweit er die im Text verlorene Präsenz der Rechtsnorm wiederherstellt
2. Die sprachliche Bedeutung ist mit dieser Rolle überfordert: 2.1 Die Sprachtheorie der Juristen ist von Legitimationsbedürfhissen bestimmt • 2.2 Die sprachliche Ordnung kann die Erwartungen der Juristen nicht erfüllen • 2.3 Legitimation ergibt sich nicht aus der Sprachtheorie, sondern allenfalls in der Sprachpraxis
3.Geltung, Bedeutung und Rechtfertigung sind als Probleme voneinander zu trennen: 3.1 Die sprachliche Bedeutung ist dem juristischen Handeln nicht vorgeordnet • 3.2 Das juristische Handeln ist eine semantische Praxis • 3.3 Der Normtext hat am Beginn juristischer Textarbeit nicht schon Bedeutung, sondern nur Geltung
II. Textarbeit: Der Richter ist nicht der Mund des Gesetzes, sondern Konstrukteur der Rechtsnorm
1. Die Praxis der Rechtserzeugung hat ihren Sinn in der Semantik des Kampfs um die Bedeutung des Gesetzes: 1.1 Der Richter trifft auf die ursprüngliche Gewalt des Konflikts und kommt für eine Rechtsfindung zu spät • 1.2 Der Richter zwingt den Konflikt in die Sprache und wendet ihn zu einem Kampf ums Recht • 1.3 Der semantische Kampf um die Bedeutung des Gesetzestextes ist symbolische Gewalt und bringt das Recht zur Sprache
2. Das Gesetz ist nicht Gegenstand einer Rechtserkenntnis, sondern Arena für den Kampf um das Recht im Raum der Sprache: 2.1 In der semantischen Praxis sind Sprache und Sprecher intern relationiert • 2.2 Zwischen Normtext als Textformular und Rechtsnorm als Textbedeutung liegt das juristische Handeln als semantische Praxis • 2.3 Die Bedeutung des Normtextes wird nicht mechanisch angewendet oder frei erfunden, sondern durchgesetzt
3. Der Gang vom Normtext zum Text der Rechtsnorm ist der Weg, den die Gewalt durch die Sprache nimmt: 3.1 Grund und Grundlage der Rechtserzeugung ist die Gewalt der Sprache • 3.2 Um des Rechts Herr zu werden, übt der Richter Gewalt über Text und Fall und gibt damit das Gesetz • 3.3 Mit seinem Urteil schneidet der Richter das Wort zum Konflikt ab
III. Die Textstruktur des Rechtsstaats: Von der Verleugnung zur Teilung und Kontrolle richterlicher Gewalt
1. Die Erschwerung der Gewalt durch die Sprache begründet die Hoffnung auf das Recht: 1.1 Die Gerechtigkeit kann die Gewalt nicht in einen Metacode einbinden • 1.2 Die Wahrheit der Rechtsbehauptung hebt die Gewalt nicht auf • 1.3 Trotz seines Entscheidungscharakters ist das Recht mehr als reine Gewalt
2. Der Rechtsstaat bildet eine Textstruktur: 2.1 Zurechnungstext ist der Normtext als „geltende" Zeichenkette • 2.2 Der Rechtfertigungstext muss den Zusammenhang von Geltung und Bedeutung begründen • 2.3 Der Anordnungstext wird mittels des Rechtfertigungszwangs in die rechtsstaatliche Textstruktur eingeschrieben
3. Die richterliche Gewalt wird der Teilung und Kontrolle unterworfen: 3.1 Lässt sich innerhalb der juristischen Textarbeit eine Praxis der Grenze denken? • 3.2 Die rechtsstaatliche Textstruktur erlaubt eine praktische Kritik der Legitimität richterlicher Gewalt • 3.3 Die rechtsstaatliche Textstruktur bewirkt eine doppelte Faltung der Gewalt
Das Ende liegt in einer praktischen Alternative
Vorwort
Was geschieht tatsächlich, wenn Juristen einen Rechtsfall entscheiden?
Für den als Theorie schon lange nicht mehr haltbaren, doch praktisch noch immer vorherrschenden Positivismus ist die Antwort nicht schwer: Was im Gesetzbuch steht, sind schon die Normen. Ihr Inhalt ist als sprachliche Bedeutung objektiv erkennbar. Der Jurist legt die gesetzlichen Formeln aus, erkennt so die Bedeutung des Gesetzes für den gegebenen Fall und wendet es auf diesen an. Die Subsumtion ist dann gerechtfertigt, wenn er sie kognitiv richtig vollführt. Demzufolge fungiert der Rechtstext als Brücke zwischen der Geltung der Vorschrift und der Legitimität juristischen Entscheidens.
Traditionelle Juristen sehen nicht, dass die Gesetzbücher lediglich nicht-normative Textformulare enthalten, mit denen im konkreten Konfliktfall Rechtsnormen erarbeitet werden können. Der rechttheoretisch/rechtsmethodisch überfällige Paradigmenwechsel wird aber auch von der Notwendigkeit eingefordert, endlich auf Sprache einzugehen: auf das, was natürliche Sprache - denn die Sprache des Rechts ist eine natürliche, von fachsprachlichen Elementen durchsetzte - nicht können kann und auf das, was sie wirklich kann.
Juristisches Entscheiden ist in all seinen Aspekten Handeln, das auf Gewalt aufruht, das sie umwandelt und ausübt. Die in einem Staatsapparat riesig angehäufte Gewalt muss immer wieder gerechtfertigt werden. In jedem rechtlich zu lösenden Fall eines sozialen Konflikts, der als solcher ein Potential an Gewalt in Bewegung setzt, ist nicht nur diese, sondern zugleich auch die des sich einmischenden Staates zu domestizieren: durch rechtsstaatliche Arbeit demokratischer Juristen. Deren Tun ist notwendige Semantisierungsarbeit; ist nicht nur Arbeit mit Hilfe von Sprache, sondern mitten in ihr; nicht nur Arbeit über Texte (travail sur des textes), sondern unmittelbare Textarbeit (travail de textes).
Zu Beginn des Konkretisierungsvorgangs hat der Normtext noch keine Bedeutung ("Normativität") - nur Geltung. Es gibt keine lex ante casum. Geltung der legislatorischen Vorschrift, Bedeutung der zu entwickelnden Rechtsnorm und die Rechtfertigung des entscheidenden Juristen sind gesonderte Probleme; sie sollten abgeschichtet und einzeln untersucht werden.
Rechtsentscheidung ist Erzeugung von Rechtsnormen. Diese werden nicht im Gesetzbuch "gefunden"; auch nicht als präexistente auf den Einzelfall hin verengt, "individualisiert". Sie werden produziert. Der Richter ist Konstrukteur der Rechtsnorm, nicht Mund des Gesetzes; sonst könnte die stets latente, mit dem Konflikt aufgebrochene und durch die im Verfahren hinzukommende staatliche noch verstärkte Gewalt nicht rechtsstaatlich gefaltet werden. Die Entscheidung, die normatives Recht erzeugt, spielt sich als semantischer Kampf um die Bedeutung der Vorschrift für den Konflikt ab. Der Gang vom Normtext zum Text der Rechtsnorm ist aber auch der Weg, den die ursprüngliche Gewalt des Konflikts durch die Sprache zu nehmen hat. Dabei enthält Sprache selbst schon Gewalt, ist überformt durch Gewaltverhältnisse und übt schließlich - als Ergebnis einer Arbeit mit Texten in der staatlichen Institution - selber Gewalt aus.
Diesen Vorgängen gilt hier eine insistente Analyse des semantischen Kampfes, als welcher sich das gerichtliche Streitverfahren herausstellt, sowie eine linguistische und rechtstheoretische Untersuchung dazu, wie sich die Entscheidung in die rechtsstaatliche Textstruktur einschreibt. Einige Elemente dieser Vorgänge werden abschließend in eingehender Darstellung und Kritik einer Serie kontroverser obergerichtlicher Urteile aus dem Verwaltungsrecht exemplifiziert. Diesseits der schrecklichen Vereinfachungen des Positivismus, der Resignation der Reinen Rechtslehre, der theoriefeindlichen Übersteigerungen des Dezisionismus und jenseits der auf dem Markt befindlichen antipositivistischen Halbheiten, wird - mit Blick auf allmählich auszuformulierende Theorie - induktiv die Realität der alltäglichen semantischen Kämpfe im Sprachspiel "Recht" untersucht; wird verfolgt, was mit Rechtstext und Textarbeit tatsächlich geschieht, wenn eine Rechtsordnung in Tätigkeit ist, wenn sie "funktioniert".
Soweit meine Begründung und Stellungnahme bzgl. der Nichtzulassung zur Revision.
Da mich diese Angelegenheit nicht nur als Mensch in meinem Dasein beschwert, sondern m. E. von grundsätzlicher Bedeutung in einer Rechtssache ist – nämlich der Frage: „ist Gesetz gleich Recht?“, wenn es diverse unterschiedliche Verordnungen und Gesetze für Menschen und Gesellschaftsstrukturen ungleicher Herkunft gibt -, verhindert das BayLSG mit der Nichtzulassung der Revision eine entsprechende, grundsätzliche Klärung in einer RECHTssache!
2 Kommentare:
Ich habe einen Brief an die Richterschaft geschrieben. Besonders interessant sind die letzten beiden Fragen.
Siehe unter: http://www.widerstand-ist-recht.de/sonstiges/fragrichter.html
Danke Werner, für Deinen Kommentar und den Hinweis auf Deinen Brief. Ich halte gerade des Thema "Recht und Rechtsstaatlichkeit" für ein sehr wesentliches Problem, welches unbedingt einer Klärung bedarf.
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