Montag, 19. Juni 2017

Mein Posting zum Thema: Bundeskanzler H. Kohl eine Betrachtung
Ralf Nietzschmann für den Gesprächskreis und http://politikparadox.blogspot.de/ ,
http://robert-diegrossenreligionen.blogspot.de/
in Anlehnung an die
Nachdenkseiten (NDS)
http://www.nachdenkseiten.de/

Liebe Freunde*innen des Gesprächskreises, verehrte Leser*innen und Bekannte,



wenn ich vor allen den jüngeren Teilnehmern des Gesprächskreises meine Betrachtung über H. Kohl mitteile, dann muss das differenziert betrachtet werden. Ich habe 40 Jahre in der DDR gelebt, dort mein persönliches Leben gestaltet und für meine Verhältnisse gut gelebt.
Ich bin auch kein Verlierer des Beitritts der DDR zum GG der BRD und lebe auch jetzt für meine Ansprüche materiell vermutlich überdurchschnittlich gut im Verhältnis vieler meiner Landsleute, nun aber gesamtdeutsch betrachtet.
Ich schreibe das nur zum allgemeinen Verständnis, denn ich möchte ja aus meiner Sicht zu H. Kohl schreiben.
Da beginne ich aber nicht nur mit den Ereignissen 1989/ 90, sondern mit den Auswirkungen der Politik von Kohl, die zwar in 1989/ 90 ihren Ursprung haben, anschließend von Kohls Nachfolgern sogar noch brutaler gesamtdeutsch durchgesetzt worden sind.
Ich weiß nicht, ob es mit Kohl deutsche Kriegsbeteiligungen gegeben hätte.
Ich weiß auch nicht, ob Kohl sein Wort gegenüber Gorbatschow gehalten hätte, bezüglich der NATO gegenüber Russland. Ich weiß nicht, ob Kohl sich gegen die Waffenlobby durchgesetzt hätte.
Deshalb konzentriere ich mich nur auf die Auswirkungen für ein immer größeren Teil unserer Mitbürger.
Bis zu der großen Kundgebung in Leipzig auf dem heutigen Augustusplatz
mit Kohl, hatte ich doch Hoffnung in Kohl gesetzt. Ich dachte wirklich, dass Kohl für die einfachen Menschen steht.
Ich musste einsehen, dass Kohl das eigentlich auch nicht wollte. Was bedeutete die sogenannte deutsch-deutsche „Wiedervereinigung“, die ja in Wirklichkeit ein Beitritt der DDR zum GG der BRD ist, für die einfachen Menschen in Ost und West tatsächlich?
Aus meiner Sicht als DDR-Bürger zitiere ich aus einem früheren Beitrag von mir, der für mich immer noch Gültigkeit hat.
Die DDR-Bürger wurden sofort mit einer für sie unbekannten fertigen Staatsordnung konfrontiert und konnten dem zu Folge ihr Stück Selbstbestimmung, das sie sich gerade erobert hatten, nicht ausleben. Das neue System verlangte von seinen neuen Bürgern kein aktives Mittun, sondern nur noch „Glücklichsein“über die nun beginnende Zukunft.
Die meisten Bürger akzeptierten dieses abverlangte Verhalten, den lange genug hatten sie keinen eigenen Blick auf die andere Seite Deutschlands, da ja die Mauer für die meisten ein unüberwindbares Hindernis war. Das Neue wurde erstmal freudig begrüßt, auch Dank der Medien.
Der reale Sozialismus hatte den meisten Bürgern Wünsche verwehrt und Einschränkungen ihres persönlichen Lebens gebracht( Reisefreiheit), dadurch war man gern bereit das alte und bekannte System aufzugeben, auch seine zweifelsfrei positiven Facetten zu den Akten zu legen.
Dieses Verhalten war durchaus für die breite Masse verständlich, aber mit Sicherheit nicht
unbedingt klug. Viele dieser Menschen mussten das in Laufe der Zeit erkennen und verkraften.

Viele der Initiatoren die eine Veränderung des Systems in der DDR wollten, die damals eine Chance sahen, mit der alten DDR das Denken und Handeln in Sinne einer gerechten Gesellschaftsordnung aufzubauen, mussten erkennen, dass die Mehrheit einfach nur ein vermeintlich komfortableres System haben wollten. Und Kohl hat dies mit blühenden Landschaften unterstützt.

Wie einsam wurde es um die Demonstranten der ersten Stunde auch in meiner Heimatstadt Leipzig. Wir wurden angefeindet, wenn wir auf das nun Kommende hinwiesen.

Der Ausverkauf des volkseigenen Vermögens stand zu diesem Zeitpunkt längst auf Kohls Agenda. Sofort ohne Zögern verramschte die Treuhand den Kuchen bis auf die letzte
n Krümeln.
Auf die versprochenen Beteiligungen am Vermögen der DDR wartete auf ein Gros der DDR-Bürger die Entlassung. Arbeitsämter schossen wie Pilze aus der Erde. Zigtausende verließen ihre Heimat gen Westen, um dort ihre Arbeitskraft für den halben Lohn der angestammten Belegschaft zu verkaufen. Im Westen gescheiterte Bürokraten machten sich mit „Buschzulage“ auf neu geschaffenen Führungsposten breit.

Mit dem Beitritt, ermöglicht durch Gorbatschow, abgeschlossen nach Verhandlungen zwischen ihm und Kohl höchstpersönlich, konnte der Kapitalismus seinen globalen Siegeszug, ohne jegliche Rücksichtnahme auf die Menschen in Gesamtdeutschland ungebremst nun beginnen.
Wo sind denn die sozialen Errungenschaften der BRD und DDR geblieben?
Der Beitritt der DDR zum GG der BRD war der Schlüssel für die sozialen Verwerfungen in Ost und West. Arbeiterrechte wurden systematisch abgebaut. Die Sozialhilfe und Renten wurden gekürzt. Später kam die Agenda 2010 dazu, die letztendlich zur vollkommenen Unterwerfung und Unsicherheit von Millionen von Menschen führte.
Warum wurden wir damals belächelt, als wir auf die zweite Lohntüte der Beschäftigten in der DDR hinwiesen. Waren Polikliniken kostenlose Gesundheitsvorsorge, Kitabetreung, kostenlose Bildung, das Recht auf Arbeit wirklich so schlecht? War Frauenförderung, Anpassung an familiäre Gegebenheiten im Beruf, bezahlte Haushaltstage wirklich ungerechtfertigte Privilegien für Frauen und Mütter?
Die Zeit nach dem Beitritt ist gekennzeichnet durch fortwährende Aufrüstung, des Vorrückens der NATO, der Angriffskriege mit deutscher Beteiligung, der Verarmung von Millionen Menschen in Deutschland. Bettler in deutschen Städten und immer mehr Obdachlos, Flaschensammler und Tafeln mit langen Schlangen davor ist das neue Bild in Deutschland, fern von blühenden Landschaften und einer sozialen Marktwirtschaft, die die DDR-Bürger nie kennen gelernt haben. Es gibt die Gefahr eines dritten Weltkrieges.
Was hat das alles mit Kohl zu tun? Für mich hat auch er am Aufstieg des europäischen Großkapitals maßgeblich den Weg mit bereitet und das zum Nachteil größerer Schichten der Bevölkerung.
Es ist vollkommen unangebracht nun Kohls Leistung zu verklären, zu mindestens für meine Klientel
Was ich schlimm finde, ist die Heuchelei der Politiker, von Merkel, über Schulz, Gabriel, Özdemir und sogar von einigen linken Politikern.
Bloß gut, dass man den Fernseher abschalten kann. Schließlich muss jeder für sich selber entscheiden, was an Kohl gut oder schlecht war. Noch gibt es ja Meinungsfreiheit.
Glück auf
Ralf

4 Kommentare:

Robert Kroiß hat gesagt…

Hallo Ralf,

sehr gute Zusammenfassung dessen, was mit der "Einheit" bewirkt und umgesetzt wurde. Und zu diesem Zeitpunkt war eben gerade Kohl Kanzler. Dieser Vorgang wäre aber auch unter jeder/jedem anderen KanzlerIn genau so umgesetzt worden. Weil es dabei um die Interessen derer ging, die ein Interesse an der Europäisierung und Globalisierung aus eigenem Machtkalkül hatten und haben und der damit verbundenen zusätzlichen Aneignung von Eigentum und Kapital ging und geht.
Und die "Heldenverehrung" ist eben durchaus (immer schon) ein Markenzeichen insbesonders deutscher, aber auch menschlicher Obrigkeitshörigkeit.

Anonym hat gesagt…

Guter Kommentar. Möchte auf http://www.rationalgalerie.de/home/-helmut-kohl.html

hinweisen, auch auf die Leserkommentare.


Forist Will Forum durch Politikparadox - In eigener Sache - zum Blog gefunden

Robert Kroiß hat gesagt…

Danke für den Link. Ein sehr sachlicher, nüchterner und den Tatsachen geschuldeter "Nachruf".

Anonym hat gesagt…

Ein sehr durchdachter Kommentar, wobei ein Ostdeutscher auch seine eigenen Mitbürger schonungslos darstellt.

Was für eine Erkenntnis muss R. Nietzschmann und seine Gesinnungsgenossen erlebt haben und verbittert gewesen sein, als sie erkennen mussten, dass es eine Illusion gewesen ist eine DDR mit einem gerechten Gesellschaftssystem aufzubauen.


Auch Kohl hat das verhindert.


Leider hat Kohl mit den blühenden Landschaften, die Ostdeutschen verleitet die CDU zu wählen und damit den Wahlsieg bei einer rein westdeutscher Wahl von Lafontaine verhindert.


Es ist auch nicht Kohls Verdienst, dass die DDR der BRD beitreten konnte. Es war die Politik von W. Brandt, der die Aussöhnung mit der Sowjetunion erfolgreich betrieb.


Mit dem Beitritt hat Kohl die Chance zu einem Friedensvertrag und die vollständige Souveränität eines geeinten Deutschland verwirkt.


Ich als Westdeutscher und ehemals bekennender Sozialdemokrat, würde niemals die DDR-Bürger verurteilen, weil sie Kohl damals gewählt haben.

Wie Neoliberalismus funktioniert, konnten sie ja schmerzlich nun seit dem Beitritt erfahren.


Auch da nochmal Anerkennung zum Kommentar von R. Nietzschmann von mir.


Achim Schell Meiderich